Davos XTrails 68km Diamond - Lauf nie schneller, als dein Schutzengel fliegen kann...

Mit meiner starken Sehbehinderung sind diese Art Läufe wirklich sehr schwer zu meistern. Ich muss mich höllisch konzentrieren und egal ob sehbehindert oder nicht, kann hier ein falscher Schritt der letzte sein den man tut. Der Eiger Ultra ist zwar technisch noch anspruchsvoller und das nicht nur weil er länger ist, sondern es geht relativ schnell nach Beginn des Rennens zur Sache. Beim XTrails hat man ca. 7km erst einmal moderate Steigungen und bewegt sich auf Wald- und Wiesenwegen. Ab diesem Zeitpunkt aber geht es in die Trails. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen bleibt es dann auch bei Trails und erst ab ca. 4km vor Schluss, bewegt man sich wieder auf normalen Waldwegen und Straßen...

Ich habe mich hier realistisch eingeschätzt. Mir war klar, mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Spartathlon 2024. Ich bin nicht gezielt auf Bergläufe trainiert und ich muss akzeptieren, dass ich behinderungsbedingt bei technisch anspruchsvollen Passagen viel Zeit verlieren werde. Was ich definitiv nicht wollte ist ein DNF (did not finish). Es schmerzt nach wie vor, beim Eiger Ultra Trail, den ich letztes Jahr gelaufen bin, nicht angekommen zu sein. Hier mein Bericht darüber.

 

Ich wurde zu Beginn von einem Mitläufer unachtsam beim Start über eine Bordsteinkante geschupst und knickte mit vollem Gepäckrucksack um. Durch diesen Unfall lief ich verletzt weiter, sofern man das noch laufen nennen konnte, was ich da tat. Jedenfalls war ich auf dem Faulhorn 12min über der cut off Zeit und so endete dieses Event für mich mit einem DNF. Dieses Jahr konnte ich an der Verlosung dazu nicht teilnehmen, da ich dafür UTMB-Punkte benötigte, die mir derzeit dafür fehlen. So plante ich den Swiss Alpine, den es aber in der Form (80km über die Schweizer Alpen) nicht mehr gibt. Stattdessen hat man nun den Davos XTrails mit mehreren Distanzen ins Leben gerufen und die Diamond Strecke ähnelt zu großem Teil diesem Event. Mir war wichtig, dieses Event für den Kopf und in Bezug auf den Spartathlon definitiv abzuschließen aber auch einzusehen, wenn es behinderungsbedingt eben nicht geht. Sollte ich also die cut off Zeiten nicht einhalten können, weil ich behinderungsbedingt zu langsam bin, so hat dies nichts mit meinem Trainingszustand zu tun und ich muss  mir dafür auch keine Schuld geben. Ich hätte auch wunderbar damit leben können, Letzter zu sein, sofern ich nur das Ziel erreiche.

 

Wenn einem die Schweizer für eine 68km Strecke mit 2700 Höhenmetern 14 Stunden Zeit geben, tun die das nicht zum Vergnügen. Ich rechnete mir mal 12h aus und plante meine Strategie so, dass ich jede laufbare Passage voll lief, bergan tat was geht und bergab eben behinderungsbedingt einiges an Zeit verlieren werde. So ging ich ins Rennen und es lief erst einmal alles super nach Plan. An den ersten Abstiegen bei km 18 wurde ich langsamer und von Mitläufern gestresst, die mich unbedingt jetzt überholen mussten. Man soll am Berg immer fair sein und wenn jemand schneller ist, kann er gern vorbei. Allerdings muss das doch nicht an den engsten Stellen im Rennen sein, hat man doch davor und danach genug Zeit zum Überholen. Das Schlimmste dran ist, dass sie beim nächsten Hügel ja schon wieder vor einem kriechen und man sie einholt. Noch schlimmer ist das Unverständnis unter den Sportlern. Da wird man angemacht, ich soll halt fast blind hier nicht mitmachen und lieber unten bleiben, ich sei auf der falschen Strecke und unverantwortlich bin ich auch usw. Denen Jungs ist eines nicht bewusst: Wenn ich voll gesund wäre, würden sie nicht einmal in die Nähe von mir laufen können! Und wenn sie meine Behinderung hätten, würden sie mit Sicherheit weder in meiner Nähe, geschweige denn überhaupt hier mitlaufen! Ich blieb ruhig und ließ diese Penner ziehen. Die Elite ist nicht mal das Problem. Die überholen kommentarlos oder sagen nur "links, rechts" und weg sind sie. Aber die Neider und Idioten sind das Problem. Natürlich gibt es auch verständnisvolle Menschen die einen in Ruhe lassen "nimm dir die Zeit die du brauchst." Das sind mir die Liebsten. Kategorie zwei will dann auf der Strecke über die Behinderung diskutieren - als hätte ich grad keine anderen Sorgen. "Sind die alle erst an mir vorbei, kann ich stressfrei und in Ruhe hier meine Arbeit machen." Das dachte ich mir so. Einzige Sorge dabei, sich nicht zu verlaufen. Wenn ich Letzter bin, habe ich Ruhe, aber auch keine Orientierung mehr. 

 

 Allerdings bin ich halt auch gut trainiert und einige, die an mir vorbeizogen, holte ich mir später halt wieder. So war ich nie vollends alleine und die Strecke war zudem, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, sehr gut markiert. Bei km 33 machte mir ein Arzt das Leben etwas schwer. Der erkannte mein Augenproblem und auch, dass ich etwas wackelig auf den Beinen war. Das Wackelige kam durch den Schwindel, weil ich die Höhe nicht gewohnt war und zugegeben auch etwas Gleichgewichtsprobleme auf den Trails hatte. So versicherte ich ihm das ich voll ok sei, mein Auge rechts kaputt ist aber sonst läuft alles wie am Schnürchen. Ich war voll in der Zeit und gut dabei und so ließ man mich zum Glück in Ruhe. Ab km 45 machte ich mir schon so meine Sorgen. Ich konnte nicht mehr recht schnell laufen, weder bergauf noch auf geraden Passagen, sofern diese überhaupt vorkamen. Bergab ging ohnehin nicht mit Laufen. Es war einfach zu technisch, zu steil und ich tat mir ständig weh. Umknicken, gegen Steine stoßen mit der Fußspitze und das immer und immer wieder. Wenn man sich das über 13 Stunden vorstellt weiß man schon, dass es sehr weh tun kann und man anfängt die Trails zu verfluchen. 

 

Ich zitterte schon um die Zeit und es hätte mich tierisch genervt, so auf den letzten 13km auf dem Rennen genommen zu werden, wo das Härteste bereits hinter mir lag. Aber das Gefühl das man hat wenn man merkt, dass die Zeit reicht und man definitiv sein Ziel erreichen wird, wenn jetzt nicht noch was Schwerwiegendes passiert, das ist unbeschreiblich schön. Auf den letzten 4km konnte ich tatsächlich noch ein paar Positionen gut machen und wurde somit noch nicht einmal letzter. Platz 48 mit einer Zielzeit von 12:52 Stunden, war ich noch unter 13h und somit über eine Stunde von der cut off Zeit weg. 

 

Ich bin im Nachgang stolz, solch ein schweres Bergrennen als Finisher beendet haben zu können! Nur weil es technisch nicht ganz so anspruchsvoll wie der Eiger Ultra Trail ist, ist es dennoch kein leichtes Rennen. Manchmal wurde ich auch leichtsinnig und versuchte mein Glück, doch etwas härter zu laufen. Einmal fast am Hang abgerutscht und hinter einen großen Stein in ein Schlagloch getreten, wobei ich mich schwer verletzen hätte können zeigte mir einmal mehr, dass ich niemals schneller laufen darf und sollte, als mein Schutzengelchen fliegen und mich begleiten kann. Generell sind Trailläufe gefährlicher als das Straßenläufe sind und egal ob du im Vollbesitz deiner Sinne bist oder nicht: Unterschätze nie den Berg und die Strecke, habe immer Demut und Respekt, sei stets achtsam und auf der Hut und laufe im Rahmen deiner Fähigkeiten, um heil wieder im Tal ankommen zu können.