Der Reggaemarathon 2017 auf Jamaika. Um 5:15 Uhr morgens startete das Rennen ziemlich heftig. Problematisch war, dass die 10km und 21km Läufer mit den Marathonläufern starten und dadurch gibt es ein Gerangel und unangenehmes Starten für alle....
Es ist noch dunkel, die Grillen zirpen und du hast bereits jetzt 21 Grad! Die Luftfeuchtigkeit ist hoch in Jamaika, anders als es in der Wüste ist, wo es eher trocken und heiß ist, zudem nachts noch kühl. Ich konnte kaum was erkennen, folgte ein paar anderen. Beswingt lauschte ich der Reggaemusik mit der wir die gesamte Strecke über beschallt wurden - herrlich. Nach der ersten Meile gab es das erste Problem: Ich war zu blöd das Trinkpack aufzubeißen, schaffte es und es platzte! Ich war über und über nass aber - zu trinken hatte ich nichts. in 1,5km gibt es das nächste Pack. Blöd nur, ich muss regelmäßig und gleich trinken, sonst dehydriere ich schneller als mir das lieb sein wird.
Ich hatte nur zwei kleine Läufe mit denen ich mich auf die Hitze einstellen konnte. Das reichte weder um den Jetlag der 6h Zeitverschiebung zu verdauen noch um sich überhaupt mit der Temperatur hier auseinanderzusetzen Ich kämpfte mich die ersten 10km gut durch, folgte einem 10km Läufer weil ich nicht sehen konnte wohin es zu laufen gilt. Eine Stirnlampe die ich hätte wegwerfen können wäre eine Maßnahme gewesen. Zu spät. Ab km10 machte ich einen gravierenden Fehler: "remember the turn and keep going!" rief mir ein Helfer zu. "Marathon where to go?" "Keep going!" rief dieser. Meine Uhr zeigte ca. 9,2km an und ich dachte mir, naja 2. Runde, gehen die Halbmarathonis raus und dann... Tja - Tunnelblick im Rennen sag ich euch nur. Ich hätte wissen müssen, das der Marathon nur zwei Runden lang ist, wie können da die Halbmarathonläufer 2 Runden machen. Es lief aber keiner gerade aus weiter - muss ich dennoch hier wenden und die Halbmarathonis laufen am Strand weiter? Ich hatte keine Zeit zu überlegen bei 4:15min/km und wendete. Ich knallte durchs Ziel und direkt an die Absperrung die ich nicht gesehen habe. "Disqualified!" rief einer noch. Nein nicht wirklich oder??? Ich diskutierte das aus "I am a nearly blind runner, I want to run the Marathon! Please tell me the way and do not stop me!!"
Sie taten genau das und zwar musste ich über eine Meile zurücklaufen zum Wendepunkt der 10km Strecke und weiter gerade aus ab da. "You will have a shit time, but you can stay in the race if you do so..." Und I do so...
Kotzen hätte ich können!!! Ich rannte wie der Teufel, versuchte Zeit gut zu machen, ruhig zu bleiben und wohl wissend, das ist immer noch ein Marathon! Du kannst dich nicht ab 10km abschießen! Ich lief in die 2. Runde und begriff meinen Fehler. Ich war so gut wie alleine. Christiane lief den Halbmarathon und rief mir zu "Du bist auf Top 10!" So sagte ich mir, wenn die Zeit auch im Arsch ist, bist du dennoch ein Top Läufer und läufst auf Top 10! Bei einem internationalen Rennen!!!
Es ging auf km 30 zu. Ein Jamaikaner war vor mir, ich lief auf ihn auf und wir redeten kurz. Der Kerl war gut drauf "The good times are over! Now the sun rise up!" Oh ja. Das tat sie. 30 Grad hatte es nun, windstill und feucht. Ich bekam Durst, trank und trank und hatte Durst was nur eines heißen konnte. Ich dehydrierte. Scheiße! Der Jamaikaner laberte mich zu. Wie geil und er hätte dieselben Schuhe wie ich und das ich gut drauf wäre usw. Ich sagte nur, er solle es mir nicht übel nehmen, ich müsse all meine Energie aufs Laufen konzentrieren, ich könne nicht reden. Er verstand und fiel zurück. Ich hielt das Tempo, ab km 36 ca. (kaum einen Überblick - es war ein Rundkurs), zog sich diese verdammte zweite Runde wie Sau. Ich fühlte mich schlecht, langsam, brach langsam ein, verlangte nach Cola die es nicht gab und bekam Eiswürfel mit Wasser, was mein Magen auch nicht gut fand. Weil es ein Rundkurs st kann man halt schauen, wer oder was einem wann bei der Wendung begegnet. Ich sagte mir also: Wenn jetzt nach der Wendung nicht gleich der ein oder andere mir entgegen kommt, kann ich eine Gehpause machen und mich kurz sammeln. Das tat ich. Der Jamaikaner aber donnerte an mir vorbei "10 more km to go!" Ja danke! Der war an die Hitze gewöhnt, ich nicht.
Respekt, lass ich ihn ziehen. Vor mir keiner, ehlendig lange Distanz und das alleine. Keiner vor mir, links keine Läufer die mir entgegen liefen, erst später, einige davon Halbmarathonis die mir zujubelten. Ich konnte mich nicht einmal bedanken dafür, ich war am Ende - wieder mal. Jetzt wurde auch noch die Straße geöffnet und Fahrzeuge passierten mich von vorn und hinten, was die Sache nicht erleichtert hat. Endlich ging es auf die letzten zwei Meilen und dem Ziel entgegen. Mit letzter Kraft versuchte ich mir einen 5er Schnitt abzuringen. Zwei jamaikanische Kinder am Rad begleiteten mich nun und redeten mir gut zu, ein Bruder am Straßenrand wollte mir noch Shit verkaufen... Unglaublich...
Im Ziel angekommen ließ ich mich erst mal verdient zu Boden sacken und kotzte den Wasserüberschuss raus. Das bedeutete, das ich mich schnell im Rollstuhl fand wo mich zwei Helfer hineinzwängten und meinten, sie nehmen mich jetzt mit zum Medical Support! Nein!!! Das wollte ich nicht. Ich diskutierte das aus, sie sollen mir eine Kokosnuss geben und mich lassen. Sie wollten mich aber nicht lassen. Ich streckte ihnen meinen Arm hin "Feel my pulse is deep and relaxed!" Sie fühlten und befanden mich als ok, ich durfte gehen. Na zum Glück. Ab zum Strand und ins kühle Meer, wo dann auch gleich die Krämpfe einsetzten beim ersten Versuch zu schwimmen. Also wieder raus und in der prallen Sonne der Siegerehrung zu gehört. Ich war dann letztendlich auf Position 14 over all mit 3h40min, so eine schlechte Marathonzeit bin ich noch nie gelaufen, nicht einmal im Debüt!!!
Aber da war es auch keine 30 Grad heiß. Ich kann, ohne mich hervor zu tun sagen, für das was ich dieses Jahr geleistet habe, kann ich nicht klagen über die Zeit und die Platzierung. Weil mir mit Platz 14 keiner den Arsch küsst, kann ich auch heim gehen. So dachte ich....
Blöd nur, dass ich meine Altersklasse und damit 200 Dollar gewonnen habe! Das bekam ich Dödel aber nicht mit, weil ich wollte ja ins Hotel... Vermutlich kriege ich die 200 Dollar nie mehr. Wie dem auch sei, mein erstes Preisgeld! Was halt fehlt ist das Siegerfoto.
Es war ein tolles Rennen was mir wieder einmal zeigte: Jedes Rennen ist anders. Ein Marathon ist ein Marathon und kein Spaziergang - NIE! Auch ein Harry hat Gefühle, Nervenkitzel stört das Rennen ABER souverän bleiben und das Rennen meistern, das bringt´s halt. Ich bin zufrieden, dennoch muss ich dort erneut starten. Ich kann nicht auf mir sitzen lassen, weil ich falsch abgebogen bin und 1,5 Meilen mehr laufen musste, dass ich deshalb so schlecht platziert aussteigen muss. Trotzdem ist mir bewusst: Wenn stärkere Läufer kommen oder was anders schief geht, dann ist es evtl. noch schlechter oder gleich. Dennoch kann auch ich mich verbessern, schneller werden, kenne nun den Kurs und stelle meine Strategie um.
Dort zu laufen ist nicht Berlin! Es ist anders und die Bedingungen extremer und gerade das ist es ja was einen Harry anzieht.